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Malerei in Schwarz und  Weiß scheint zunächst ungewöhnlich, wird doch Farbigkeit landläufig unmittelbar mit Kreativität verknüpft. Schwarz und Weiß sind keine Farben. Angeblich. Trotzdem stehen sie wie selbstverständlich in jeder Farbsammlung der Kreativen.

Für mich lebt Malerei von Kontrasten. Auch ohne andere Farben bilden Schwarz und Weiß zueinander Gegenpole, wie sie härter und spannender nicht sein könnten. Als Gegensätze verkörpern sie die Dialektik des Lebens: Licht und Dunkelheit, Tag und Nacht, Sonne und Mond, Mann und Frau, Leben und Tod, Wahrheit und Lüge.

In einer schnelllebigen Zeitwird der Betrachterverleitet, schnell hinzuschauen, einzuordnen und zu urteilen.Genaueres Hinsehen erfordert Zeit und Muße. Es lohnt sich, Zwischentöne zu hören, Material zu erforschen, Details zu entdecken, Nuancen wahrzunehmen, Spuren zu suchen und Schichten zu finden. Gestaltungsprozesse nachzuvollziehen bedeutet Lebensabschnitten nachzuspüren.  
 
Die Bilder und Objekte dieser Reihe unterliegen offenen Regeln. Sie sind Ergebnisse und Variationen einer jahrelangen gestaltungspraktischen Auseinandersetzung mit den Phänomenen des Themas.
Ungewöhnlich sind die Malgründe, die verwandten Malwerkzeuge und die Methoden des Farbauftrags. Unter Anderem wurden Muscheln, Erdnussschalen, Walderdreich, Piniennadeln, Baumrinde,  und alte italienische Agrarrelikte mit Lasuren, Schlieren, Dripping und schichtartigem Farbauftrag überzogen.

Paten dieser Arbeiten sind Vertreter des deutschen abstrakten Expressionismus wie Schumacher, Schultze e.a., deren radikale Freiheit, phantasievolle Verspieltheit und Leichtigkeit mich immer interessierten. Viele aleatorische Techniken wurden bewusst  gesteuert eingesetzt um Farbüberlagerungen, Valeurs, und Raumtiefe entstehen zu lassen.
 
Die Bilder und Objektedieser Reihe erschließen sich nicht dem raschen Konsum.Ich empfinde Sie als sperrig, unbequem. Man muss sich auf sie einlassen, sie meditieren und den Geist frei werden lassen von der - in der visuellen Informationskultur perfekt antrainierten – Bedeutungssuche in den Bildern. Sie sind vielmehr ein Spiel mit dem Thema, ein Suchen, eine Auseinandersetzung und auch ein Experiment damit.
Im meditativen Aspekt der Malerei liegt ein Angebot an den Betrachter, die komplexen Strukturen zu lesen. Dann kann die Rezeption zu einer Lust am Sehen und Erleben werden.
 

Dr. Urs Diederichs